Die grosse Umwendung : Neue Briefe in die chinesische Vergangenheit ; Roman
Autor:
Verlag:
Kiepenheuer & Witsch
Jahr:
1997
Seitenzahl:
208
ISBN:
9783462026320
Medium:
Hardcover
Sprache:
Deutsch
Zustandsbeschreibung
Buch ist gut erhalten. Die Seiten sind sauber. Mit Leseschnur. Hardcover mit Umschlag. Der ein oder andere Knick.
Artikelbeschreibung
Os-si und Wes-siHier gibt es zweierlei Menschen: Os-si und Wes-si, abgesehen von stark vielen östlichen Insel-Zwergen ( Wie die hierherkommen, mag der Kuckuck wissen). Die Os-si männlichen Geschlechts haben kleine bürstenartige Bärtchen auf der Oberlippe, die Os-si weiblichen Geschlechts, sofern sie nicht sehr alt sind, haben starkfarbene Haare: rote oder orangegelb oder violett oder grün. Die alten Os-si sind meist dick und hinken. Das kommt davon, sagte Hei-tsi, genannt »der Großfuß mit dem schwarzen Zahn«, daß zu Zeiten jenes Obermandarins Ho-neng-ning oder, wie jene Zeiten auch genannt werden, »vor der Großen Wendung« es nur ungenügende »Schu-he« gegeben habe. Das sind jene an sich schon unbequemen Futterale aus hartem Leder, in die die Großnasen ihre Füße zwängen. (Es gibt auch andere »Schu-he«, die sind aus einer undefinierbaren Masse, oft stark farbig, äußerst kompliziert, meist dreckig und erzeugen Fußschweiß. Besonders bei jungen Leuten sind solche Farb-Schu-he beliebt.) Zu Zeiten des verwichenen Ho-neng-ning also, als noch an den Dämon oder Götzen Le-ning geglaubt wurde, hat es nur eine Werkstätte, eine riesige solche gegeben, die Schuhe gemacht hat. Nun haben, wie man weiß, die Leute verschieden große Füße. Darauf konnte jene Werkstätte, sie nannte sich »Banner des Friedens« - warum, wußte Hei-tsi nicht -, keine Rücksicht nehmen. Sie vereinfachte die Sache und nahm das Maß vom größten Fuß der Roten Provinz. (Ich stelle mir vor, daß alle Großfüße zusammengerufen wurden; sie mußten sich hinsetzen und die Füße ausstrecken. Der Obermandarin, der grämliche Ho-neng-ning, schritt die Reihe ab, vielleicht mit einem Maßband, und stellte den größten Großfuß fest.) Die Werkstätte »Banner des Friedens« kalkulierte, daß der so gewonnene Groß-Schuh allen paßt, vom größten Groß-Fuß herunter bis zum kleinsten. Die Os-si mit kleinen Füßen mußten eben die Fußfutterale vorn ausstopfen. Dazu benutzten sie das »Neue Land, in dem wir Os-si leben«. Du wirst fragen was das ist. Das ist eine Art Plakat, das aber nicht an die Wand geklebt, sondern gefaltet und an die Bevölkerung verteilt wird. Es heißt Tsei-tung, und darin stehen lügenhafte Bemerkungen abgedruckt. Die Tsei-tung »Neues Land, in dem wir Os-si leben« tat sich in der Hinsicht besonders hervor, und so konnte man damit ohnedies nichts anderes anfangen, als die Fuß-Futterale vorne auszustopfen. Aber dennoch, sagt Hei-tsi, sind die Os-si häufig gestolpert, und daher sind sie fußmarod und hinken. Hei-tsi weiß das alles, denn er ist selber ein Os-si und muß es wohl wissen. Auch er hinkt, aber eher deswegen, sagt er, weil er sich letzten Winter die Zehen abgefroren hat.
Schlagworte
China, Chinesische Literatur, Asien, Historischer Roman
Kategorie