Interpret:
Uri Caine Ensemble
Jahr:
1997
Medium:
1 CD
Sprache:
Instrumental
Verzeichnis:
siehe Foto 2
Zustandsbeschreibung
sehr gut
Artikelbeschreibung
Ah, so sollte er also klingen! RICHARD WAGNER, ewig monumental, überzogen, pathetisch, ekelhaft heroisch, deutschtümelnd. So kennen wir ihn, aber: Mit dieser Aufnahme von berühmten wie berüchtigten Kompositionen des Lieblingskünstlers Hitlers schlägt der New Yorker Komponist und Pianist URI CAINE ein neues Kapitel auf bzw. gräbt in das Leben WAGNERs hinein und stellt dabei mit "Wagner E Venezia" eine Beziehung heraus, der neue Bedeutung beigemessen werden muß. Es ist schon merkwürdig, daß der heute als treudeutsch verklärte Leib- und Magenkomponist König Ludwigs von Bayern sich so dermaßen in das italienische Vorzeigestädtchen verguckt hatte, das er insgesamt sechsmal besuchte, sogar seinen letzten Atemzug machte er dort 1883, nicht jedoch, ohne vor Ort der italienischen Interpretation seiner Werke zu lauschen. Das erfüllte ihn nicht immer mit Begeisterung, das Publikum jedoch um so mehr. Und schon sind wir mitten im Geschehen, vor dem Gran Caffé Quadri, im Juni 1997. CAINE hatte sich ein Kaffeehausensemble zusammengesucht und Gassenhauer wie den "Ritt Der Walküren" oder die "Tannhäuser"-Ouvertüre für ein Kammerorchester umgeschrieben. Keine Bläser also, lediglich zwei Violinen (MARK FELDMAN, Joyce Hammann), ein Violoncello (ERIK FRIEDLANDER), ein Kontrabass (Drew Gress), Akkordeon (DOMINIC CORTESE) und Piano (URI CAINE). Das Bahnbrechende der venezianischen Aufführungen ist die Rückkehr der Kompositionen in einen leisen Kontext, in ein angenehmes, auf den Hörer zugehendes Klangbild - keine Pauken und Donnerschläge Bayreuthscher Monumentalsucht. Aller klebrige Heroismus, alle Strenge wird gefühlvoll, ursprünglich romantisch und mit Leidenschaft umspielt. Der "Liebestod" aus "Tristan Und Isolde" schleicht sich aus dem Getuschel des Publikums, der Atmosphäre des Konzertplatzes (pünktlich zum Schluß der "Meistersinger"-Ouvertüre erklingen die Kirchenglocken) sachte an den Hörer heran, baut sich auf in seiner ganzen Traurigkeit und läßt das Publikum nicht mehr los. Vor dem geistigen Auge bleiben Passanten stehen, setzen sich, fallen in die Musik hinein, erleben das "Prelude" des "Tristan" als zweiten schmachtenden Höhepunkt und werden eingeladen, sei es auf dem Piazza San Marco oder der Riva Schiavoni. Wahrscheinlich hätte WAGNER an den CAINEschen Versionen Tempi, Habitus und Spieleuphorie bemängelt, hätte versucht, seinen Stempel zu hinterlassen, aber glücklicherweise kann der Mann des "expressivo um jeden Preis" (Friedrich Nitzsche) hieran nichts mehr bekritteln. Armer RICHARD, glückliche Welt.
Schlagworte
k.A.